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28.04.2009

Laufen hinter Gittern

1. Ponter Jail-Run

Justizvollzugsanstalt Geldern-Pont - fast jeder aus der näheren Umgebung ist schon mal dort vorbeigefahren. Aber außer der hohen Mauer und der Eingangspforte ist nicht viel zu sehen. Wie es hinter Beton und Stacheldraht aussieht, ist den meisten unbekannt - ebenso, wie der Alltag der Strafgefangenen aussehen mag.

JVA Pont Bild: www.jva-geldern.nrw.de

Für einige Läufer bot sich nun die Gelegenheit, zumindest einen kleinen Einblick in diese ungewohnte Umgebung zu bekommen. Unter maßgeblicher Beteiligung unserer Mitglieder Jürgen Metternich und Peter Wasser, die als Sozialarbeiter bzw. Druckermeister im "Knast" arbeiten, hatte die Justizverwaltung ihr Einverständnis zum "1. Ponter Jail-Run" erteilt. Auf den Strecken von 10km und 15km sollten innerhalb der Gefängnismauern sowohl Strafgefangene als auch Angestellte und Läufer von "draußen" gemeinsam an den Start gehen.

Samstag morgen, kurz vor neun Uhr. Auf dem Parkplatz vor der JVA treffen sich etwa 15 männliche Läufer und einige Damen. Aus organisatorischen und sicherheitstechnischen Gründen ist nur Männern der Start gestattet; die Frauen sind aber herzlich eingeladen, bei der Zeitnahme und beim Rundenzählen zu helfen. Einigen (nicht nur den Damen) ist sichtbar mulmig zumute. Wie "allseits bekannt", sitzen hier ja nur "richtig schwere Jungs" ein.

Zunächst wird die Gruppe von einem Beamten durch die Außenpforte gelotst. Der Beamte ist im Sportdreß und nicht in Uniform gekleidet und nimmt mit seiner lockeren Art schonmal ein bißchen von der Beklemmung weg. Während Nicola Hüesker, Susanne Peters, Monika Scholten und Angelika Mölderns direkt zum Sportplatz "einrücken", dürfen die Läufer ihre Taschen in der Umkleidekabine der Angestellten deponieren. Außer den Laufsachen darf nichts mit in den inneren Bereich genommen werden, vor allem Handys sind strikt verboten.

Durch mehrere schwere Türen und Tore geht es dann zum Sportplatz. Dieser ist erstaunlich modern: ein Fußballplatz mit Kunstrasenbelag sowie ein Multifunktions-Kunststoffplatz (Basketball, Volleyball,...) stehen zur Verfügung. Wie wir erfahren, muß diese Anlage aber von vielen Hundert Personen genutzt werden, so daß dem einzelnen Strafgefangenen pro Woche nur zwei Stunden Sport zustehen.

Es sind Pavillons aufgebaut, aus großen Lautsprechern erkling Popmusik, ein Zielbanner hängt auch bereits. Einige Dutzend Personen sind schon anwesend, alle tragen das gleiche T-Shirt: zur Premiere des "Jail-Runs" wurden T-Shirts bedruckt und an alle Teilnehmer ausgegeben. Auf dem Shirt sieht man den Grundriß der JVA, darin viele kleine weiße Schafe, die alle zu einem schwarzen Schaf schauen, unter dem "15km?" geschrieben steht. Untertitel der Veranstaltung: "The Black Sheep Challenge". In einer Ecke steht allerdings ein einsames Schaf, das offensichtlich vom Laufen außerhalb der Mauern träumt...

Auch die externen Läufer bekommen solch ein Shirt, und somit verwischen alle äußeren Unterschiede. Jutta de Goey verteilt die Startnummern, und irgendwie ist alles jetzt auch nicht viel anders als bei jedem normalen Volkslauf. Es gibt Kaltgetränke und Kaffee, die von Strafgefangenen ausgeschenkt werden. Alle sind nett und zuvorkommend, und das mulmige Gefühl legt sich so langsam. Natürlich ist allen klar, daß die anwesenden Strafgefangenen hier ein großes Privileg genießen und nicht dabei wären, wenn sie auch nur das kleinste Risiko darstellen würden. Wahrscheinlich wäre es das sofortige Ende der Veranstaltung und das Aus für alle weiteren dieser Art, wenn auch nur der kleinste Zwischenfall passieren sollte.

Für den Außenstehenden ziemlich überraschend: viele der anwesenden Strafgefangenen sind noch recht jung. Auch sind die Vornamen auf den Startnummern ziemlich international: wie uns erzählt wird, sind 61 Nationen hier im "Knast" vertreten - echtes "Multi-Kulti" also.

Karl-Heinz, Uli und ich laufen zum Warmwerden ein paar Runden um den Fußballplatz, andere tun es uns gleich. Ob die eine Ahnung haben, was 10 oder 15 Kilometer bedeuten...? Angesichts der eingeschränkten Sportzeiten ist ein Ausdauertraining für die Strafgefangenen sicherlich nicht einfach. Aber alle Teilnehmer scheinen mit Spaß bei der Sache zu sein.

Die Helferinnen werden nun bereits zur Strecke geführt. Diese hat eine Länge von 950 Metern; für den 10er sind also knapp zehneinhalb Runden zu absolvieren. Natürlich hat Peter Wasser es sich nicht nehmen lassen, die Runde offiziell vom DLV vermessen zu lassen; jeder Kilometer ist markiert. Im Uhrzeigersinn laufend wird allen Teilnehmern eingebläut, nicht nach links über eine dicke weiße Linie zu laufen. Diese markiert den Sicherheitsabstand zum inneren Zaun, der elektronisch überwacht wird. Käme man ihm zu nahe, würde ein Alarm ausgelöst. Also immer schön rechts halten!

Nun geht's bald los. Der Anstaltsleiter, Herr Metzner, hält eine kleine Ansprache. Diese Veranstaltung sei ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Freizeitmöglichkeiten innerhalb der JVA und solle zu einer festen jährlichen Einrichtung werden. Herr Metzner dankt vor allem den Sportbeamten, die durch ihren (teilweise freiwilligen und außerdienstlichen) Einsatz eine solche Veranstaltung erst möglich gemacht hatten.

Anschließend werden alle Teilnehmer namentlich aufgerufen und dürfen durch ein Tor vom Sportplatz in den äußeren Bereich treten, der den Strafgefangenen normalerweise nicht zugänglich ist. Jeder bekommt seinen Beifall von den "Kollegen".

Auf etwa der Hälfte der Runde befindet sich der Start zum 10km-Lauf. Sogar die Presse ist vertreten. Peter Wasser ermahnt das Teilnehmerfeld angesichts der doch schon recht hohen Temperaturen, das Rennen nicht zu schnell anzugehen, und dann geht's auch schon los: nach einem kurzen Countdown ertönt das Startsignal.

Einige Läufer rennen los wie die Feuerwehr. Ich muß wie üblich erst mal mein Tempo finden und lasse sie laufen. Irgendwie lasse ich mich aber doch ziehen, denn nach dem ersten Kilometer steht die Uhr bei genau vier Minuten. Also etwas Tempo rausnehmen und... die Strecke genießen? Nein, das kann man nicht sagen. Links immer die Außenmauer aus 6 oder 7 Meter hohen Betonplatten, davor der innere Sicherheitszaun aus Eisengeflecht und Bandstacheldraht. Rechts ebenfalls die Betonwände der Zellentrakte und Verwaltungsgebäude. Nur auf einem kleinen Teilstück ist ein Gewächshaus mit etwas Grün zu sehen, und natürlich der Sportplatz. Hier werden alle Läufer von den Zuschauern und Teilnehmern des späteren 15km-Laufs lauthals angefeuert und beklatscht. Ein Sprecher nennt jeden Läufer beim Namen.

Kurz nach der ersten Runde hängt sich ein Strafgefangener an mich dran und läßt sich drei Runden lang ziehen. Dann bin ich ihm offensichtlich zu langsam, und er zieht an mir vorbei. Sein Tempo kann und will ich eine Woche vor dem Düsseldorf-Marathon nicht mithalten - auch mal gut so, es war nämlich der spätere Sieger, mit dem ich mich hier "duelliert" habe. Wieviele andere Läufer vor mir sind, kann ich leider kaum feststellen. Zum einen sehen in den weißen T-Shirts alle gleich aus, zum anderen kommt es auch schnell zu Überrundungen.

Nach spätestens drei Runden habe ich alles gesehen, was zu sehen ist, und das Rennen wird ein bißchen eintönig. Nur die Kilometermarken und eine gelegentliche Überrundung bieten etwas "Abwechselung". Mein Schnitt pendelt sich bei ca. 4:35min/km ein, und mehr habe ich mir für heute auch nicht vorgenommen. Viel mehr wäre aber auch sonst nicht dringewesen - der Laufuntergrund (Pflastersteine) ist sehr hart, es gibt einige scharfe Kurven, in denen man abbremsen muß, und die Sonne heizt diese Betonwelt ordentlich auf, obwohl es noch nicht mal 20 Grad hat. Keine guten Voraussetzungen für Angriffe auf die Bestzeit ;-)

Bei Kilometer sieben habe ich das seltene Erlebnis, Uli Baumann überrunden zu dürfen. Der Fairness halber sei gesagt, daß Uli aus gesundheitlichen Gründen in diesem Jahr noch überhaupt nicht gelaufen ist und quasi mit einem Wettkampf wieder eingestiegen ist. Trotzdem kämpft er sich hartnäckig durch die Runden.

Irgendwann höre ich dann vom Rundenzähl-Team "letzte Runde", die Uhr steht bei 41:00 und ich nehme ein paar weitere Überrundungen zum Anlaß für einen kleinen Endspurt. Keine Ahnung, wieviele schon im Ziel sind. Auf der Zielgeraden, etwa 30 Meter vor mir, sehe ich jedenfalls einen Strafgefangenen, der im Glauben an eine sichere Plazierung mit hocherhobenen Händen die letzten Meter spazierend zurücklegt. Erst auf den Zuruf seiner Kameraden erschrickt er, dreht sich um, stellt fest, daß ihm da jemand auf den Fersen ist und gibt noch mal Gas. Ich habe aber keine Chance mehr, er rettet schließlich einen Vorsprung von neun Sekunden, und meine Uhr stoppt bei 45:31.

Mehr als zwei Minuten zuvor war bereits das Sieger-Duo durchs Ziel gegangen. Die beiden Strafgefangenen verzichteten kameradschaftlich auf ein Duell auf den letzten Metern und liefen unter dem Jubel der Zuschauer Hand in Hand nach 43:11 durchs Ziel. Somit habe ich den undankbaren vierten Platz belegt, aber die Treppchenplätze seien den drei Insassen mehr als gegönnt.

Karl-Heinz kommt nach 47:25 als Achter ins Ziel, und auch Uli hatte auf den letzten Runden noch einen Zahn zugelegt, um die 50-Minuten-Grenze zu knacken: mit 49:50 erreicht er Platz zwölf.

Die Strafgefangenen zeigen trotz unzureichender Trainingsmöglichkeiten eine tolle Moral. Nur vier von 62 Startern müssen den Lauf wegen Überanstrengung abbrechen, alle anderen kämpfen sich tapfer ins Ziel.

Während sich nun die Teilnehmer des 15km-Laufs bereitmachen, bekommen die anderen schon ihr Mittagessen: Eintopf mit Würstchen. Darauf müssen die "15er" noch ein bißchen warten und vor allem mehrfach an der Gulaschkanone vorbeilaufen - es ist aber für alle genügend vorhanden.

Der zweite Lauf über 15 Kilometer ist mit 15 Startern schon deutlich dünner besetzt. Klarer Favorit ist hier der Vorzeigeläufer der JVA und LLG-Mitglied Christoph Hog. Von Beginn an läuft er vorneweg, und schon nach einer Runde sehen Reinhard Conen, Peter Ludden (Gerscheder SV) und Norbert Halmans (KSV-LWT Kevelaer) sein gelbes T-Shirt nur noch von weitem. Wie ein Uhrwerk dreht er seine Runden - ob er sein Ziel von unter 60 Minuten schaffen kann?

Aber der Lauf hat auch einen anderen Helden: ein deutlich übergewichtiger Strafgefangener läuft am Ende des Feldes. So ziemlich alle Zuschauer sind sich einig, daß er die 15 Runden nicht durchhalten wird. Aber er wird sie eines besseren belehren... ;-)

Nach etwa der Hälfte des Rennens wird deutlich, daß Christoph die Stundenmarke wohl nicht knacken wird. Trotzdem wächst sein Vorsprung von Runde zu Runde. Peter ist inzwischen Zweiter, Norbert Dritter und Reinhard Fünfter. Aber mit dem Sieg haben sie nichts zu tun. Nach 1:02:26 überquert Christoph unter dem tosenden Beifall seiner Kameraden die Ziellinie. Vier Minuten später folgt Peter Ludden, nochmal zwei Minuten später Norbert Halmanns, und nach 1:10:36 ist es auch für Reinhard geschafft - knapp eine halbe Minute nach dem ersten Strafgefangenen auf Platz vier.

Und was ist mit dem "kleinen Dicken" am Ende des Feldes? Nicht weniger regelmäßig als Christoph dreht er zum Erstaunen aller eine Runde nach der anderen und finisht schließlich überglücklich knapp unter 1:40. Sein Beifall ist wohl noch lauter als der des Siegers ;-)

Natürlich darf auch die Siegerehrung nicht fehlen. Für alle gibt es eine Urkunde (aus der hauseigenen Druckerei) und eine Medaille (ebenfalls handgedreht und graviert) als Erinnerung. Für die internen "Haus-" und Altersklassenwertungen gibt es noch zusätzliche Funktionsshirts als Preise. Last but not least bekommt auch der Letzte des 15km-Laufs ein Shirt für seine tolle Leistung.

Damit beschließt Anstaltsleiter Herr Metzner die Veranstaltung, nicht ohne allen Teilnehmern für ihre Disziplin zu danken und nicht ohne nochmals die Sportbeamten zu erwähnen, ohne deren Einsatz eine solche Veranstaltung nicht möglich gewesen wäre. Auf jeden Fall sei aber eine Wiederholung dieser Veranstaltung geplant.

Während es für die Strafgefangenen zum Duschen zurück in die Zellentrakte geht, dürfen die "Externen" auf dem gleichen Weg wie am Morgen die JVA wieder verlassen - um einige Eindrücke reicher, nicht zuletzt die Damen bei der Rundenzählung: sie wurden von zwei Strafgefangenen unterstützt, die während der doch stellenweise langweiligen Rundenzählerei recht unbefangen von ihrem Alltag im Knast erzählt hatten.

Auf jeden Fall war der "1. Ponter Jail-Run" für alle Beteiligten ein Erlebnis der besonderen Art: für uns "Zivilisten", die wir einen kleinen Einblick in das Leben im Knast bekamen, als auch sicherlich für die Strafgefangenen, für die eine solche Veranstaltung eines der Highlights des Jahres und eine höchst willkommene Abwechselung vom wohl sehr langweiligen Alltagstrott gewesen sein dürfte.

Thomas Rauers

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